GRIP 06

01.06.1993

Hamburg Connection

Wir möchten den hessischen Filmschaffenden an dieser Stelle die seit Anfang des Jahres arbeitende KurzFilmAgentur Hamburg e. V. vorstellen. Zu Überlegen wäre eine Zusammenarbeit der Frankfurter Filmsammlung mit den Hamburgern.

Von Leonore Poth

Jährlich wird überall auf der Welt eine Vielzahl von qualitativ hochwertigen Kurzfilmen produziert. Zu sehen sind sie, wenn überhaupt, auf den Filmfestivals. Nur noch in seltenen Fällen "verirrt" sich ein Kurzfilm ins reguläre Programm der Kinos. In Deutschland existiert derzeit praktisch keine Vertriebsstruktur für den Kurzfilm. Dem gegenüber steht aber ein durchaus großes Interesse des Publikums. Die Gründung der KurzFilmAgentur Hamburg e. V. ist ein erfolgversprechender Versuch die schlechte Abspielsituation in Deutschland zu verbessern. Mit zunächst kleinem Etat und einem kleinen Team startete die Agentur Anfang 1993. Ihre Arbeit ist nicht gewinnorientiert, sämtliche Einnahmen der Agentur werden ausschließlich für die Finanzierung ihrer Arbeitsbereiche genutzt.
Als zentrale Anlaufstelle für internationale Kurzfilme bietet die KurzFilmAgentur eine Vielzahl von Serviceleistungen an, die es Interessenten erleichtern, Zugang zu Sichtungsmaterial, Informationen und Kontakten zu erlangen.
Die Aufgabenfelder erstrecken sich im Wesentlichen auf die Einrichtung eines Verleihstocks für ein "Kurzfilm-Abonnement" für Kinobetreiber, den Aufbau einer Datenbank, eines Video - und eines Textarchivs, die Vermittlung von Lizenzen, die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit, die Veranstaltung von Kurzfilmprogrammen und die Ausrichtung des Hamburger Kurzfilmfestivals NO BUDGET.
Als Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit, baut die KurzFilmAgentur auf die Kooperation aller Institutionen und Einzelpersonen, die sich mit Kurzfilmen beschäftigen oder die solches vorhaben. Beispielgebend ist dabei die Agence du Court Metrage in Paris, die seit mehreren Jahren in Frankreich erfolgreiche Arbeit für die Verbreitung von Kurzfilmen leistet. Wunder sollte man von der Arbeit der KurzFilmAgentur zumindest zu Beginn noch nicht erwarten. Mit genügender Unterstützung, wachsender Erfahrung und vor allem mit hoffentlich höherer Subventionierung kann sie der Verbreitung des Kurzfilms in Deutschland dienlich sein und ihm langfristig wieder einen Markt öffnen.
Mit Angela Haard, der Leiterin der Internationalen Kurzfilmtage in Oberhausen, sind Kooperationsgespräche geführt worden. Idee dieser Zusammenarbeit ist die Gründung eines gemeinsam getragenen Kurzfilmbüros in Nordrhein - Westfalen, das sich die Aufgaben mit der Hamburger KurzFilmAgentur teilen soll. Mit dieser Kooperation würden auch die Finanzierungschancen steigen. Die Hamburger Kulturbehörde kann auf absehbare Zeit das Jahresbudget nicht erweitern.
Solange diese Idee aber noch nicht in die Tat umgesetzt ist, fungiert Hamburg als zentrale Anlaufstelle für den Internationalen Kurzfilm.
Nicht die KurzFilmAgentur verdient daran, sondern das Publikum, die Filmemacher und die Kinos.

Kurzfilm - Abo
Kinobetreiber in Deutschland können passives Mitglied bei der KurzFilmAgentur Hamburg e. V. werden. Sie zahlen dafür einen Jahresbeitrag zwischen DM 1. 000. - und DM 2. 000. - ¡e nach Platzanzahl des Kinosaales ein. Dadurch erhalten sie das Recht, jede Woche einen anderen Kurzfilm aus dem Verleihstock der Agentur als Vorfilm in diesem Kino vorzuführen. Dem Kinobesitzer entstehen außer für den Weitertransport der Kopien keine weiteren Kosten. Das Mitgliedsjahr beginnt mit dem ersten Ausleihvorgang.
Der Verleihstock wird am Anfang aus finanziellen Gründen höchstens 20 Titel umfassen, wird aber nach und nach vergrößert. Das bedeutet, daß in der Anfangsphase des "Kurzfilm - Abos" pro Woche nicht unterschiedliche Kurzfilme angeboten werden können.
Jeder Titel wird mit ausreichend vielen Kopien ausgestattet und als deutsche 35mm - Kinofassung (untertitelt oder synchronisiert) angeboten. Wenn der Kurzfilm im 16mm Format produziert worden ist, wird er außer als 35mm Version auch als 16mm Version entleihbar sein. Zu jedem Titel wird ein Datenblatt mit rückseitigem Aushangfoto erstellt, die jedem Mitglied als Informationsmaterial zugeschickt wird. Mitglieder erhalten dafür einen Sammelordner, um ihn als ergänzbaren Kurzfilmkatalog zu nutzen. Als Sichtungsmaterial stehen von jedem Titel Videokopien zur Verfügung. Bei Buchung eines Kurzfilmes wird neben der Terminbestätigung genügend Werbe - und Pressematerial mitgeliefert.
Mitglieder verpflichten sich, jeden zur Vorführung kommenden Kurzfilm in ihren Programmblättern und Presseinformationen anzukündigen.
Kinobetreiber, die Mitglied sind, sollen über die Neuaufnahme von Kurzfilmen in den Verleihstock mitentscheiden.
Selbstverständlich ist die Agentur auf Wunsch auch dabei behilflich, Kurzfilme, die nicht im Verleihstock enthalten sind, für die Vorführung zu organisieren.
Nicht - Mitglieder erhalten ebenfalls die Möglichkeit, den Verleihstock zu nutzen, jedoch ist der Kostenaufwand für diese Kinos vergleichsweise höher.
Mitglieder, die von vorneherein das Angebot der Agentur unregelmäßig oder anders nutzen wollen, können nach Absprache andere Zahlungskonditionen erhalten.
Schon jetzt haben sich überraschend viele Kinos interessiert gezeigt, an diesem "Kurzfilm - Abo" teilzuhaben.
Sollten Sie Interesse haben, setzen Sie sich mit uns in Verbindung, Fordern Sie unsere Informationen, das Mitgliedsformular und natürlich unseren Mustersampler auf Video an.

Datenbank & Videoarchiv
Ein Hauptproblem für engagierte Kinobetreiber, potentielle Käufer von Kurzfilmen und Veranstalter war bisher, daß es in Deutschland kein umfangreiches Verzeichnis über existierende Kurzfilme und entsprechende Kontaktadressen gibt. Das erschwertes, an Kurzfilme heranzukommen und verhindert oft deren Vorführung oder Ankauf.
Die KurzFilmAgentur Hamburg e. V. baut eine Datenbank auf, die alle relevanten inhaltlichen und technischen Daten von internationalen Kurzfilmen enthalten wird. Anhand von Schlagwörtern können dann die Daten nach speziellen Wünschen abgerufen werden. Zu jedem in der Datenbank erfaßten Kurzfilm wird eine Videokopie archiviert und für Sichtungszwecke zur Verfügung gestellt.
Jeder Anmeldung muß eine VHS - Kopie und eine Bearbeitungsgebühr von DM 20. - beigefügt werden. Videoproduktionen werden nur dann in die Datenbank aufgenommen, wenn sie im fernsehtauglichen Format hergestellt wurden.
Die KurzFilmAgentur behält sich zur eigenen Entlastung vor, die Datenbank und das Videoarchiv, nach Überprüfung ihrer Wirksamkeit, wieder zu reduzieren.
Der erfolgreiche Aufbau der Datenbank und des Videoarchivs ermöglicht der Agentur Programmempfehlungen zu geben und bei Programmauswahl und - beschaffung u. a. für Festivals und Sonderveranstaltungen behilflich zu sein.
Perspektivisch ist geplant, mit Hilfe der Datenbank jährlich einen Katalog der deutschen Kurzfilmproduktionen herauszugeben, der auch der Präsentation des deutschen Kurzfilms im Ausland dienen soll. Bisher wurden rund 250 Filmtitel dafür angemeldet. Fernsehsender wie Arte, Vox, Super Channel haben sich bereits Material zukommen lassen. Meisterstein, der die vom SFB beauftragte regelmäßige Sendung "United Unsinn" produziert, ist ständiger Sichtungsgast im Büro der KurzFilmAgentur. Und Christoph Erbes, Kurzfilmredakteur von "premiere", er hat bisher ca. 700 Kurzfilme gesendet und einige mitproduziert, geht in der Zusammenarbeit sogar noch weiter: er plant neben der Nutzung des KurzFilmAgentur - Angebotes ein Sponsoring für das "Kurzfilm - Abo".

Kurzfilm Infothek
Die KurzFilmAgentur sammelt jegliche Informationen über den Kurzfilm.
Ein umfangreiches Textarchiv (auch Fotoarchiv) über die Kurzfilmszene wird als Vorbereitung für geplante regelmäßig erscheinende Publikationen der KurzFilmAgentur aufgebaut. Als speziellen Service informiert die Agentur über Filmfestivals, die Kurzfilme zeigen und deren Teilnahmebedingungen. Zu diesem Zweck laden wir alle Veranstalter dazu ein, ihre Informationen an die KurzFilmAgentur zu senden.
Die Nutzung des Informations - Services aus Datenbank, Video -, Foto - und Textarchiv wird dem Aufwand entsprechend berechnet. Mitglieder der KurzFilmAgentur erhalten diese Leistungen gebührenfrei.

Kurzfilm Vermittlung
Die KurzFilmAgentur bietet sich als Vermittler von Lizenzen zwischen Kurzfilmproduzent und Aufkäufer an. Insbesondere werden Fernsehsender, nicht - gewerbliche und gewerbliche Verleiher, Landesbildstellen bzw. - filmdienste und kirchliche AV - Medienstellen in Deutschland beliefert. Die Agentur handelt im Auftrag und mit Rücksprache der Kurzfilmproduzenten die Vertragsbedingungen aus und sorgt für eine verwertungsgerechte Lieferung (Kopien, TV - gerechte Abtastung, deutsche Fassung) des jeweiligen Kurzfilms. Bei erfolgreicher Vermittlung erhält die Agentur eine Provision von 30% des Nettoerlöses. Diese Einnahmen werden hauptsächlich für die Finanzierung des "Kurzfilm -. Abos" verwendet.

Markus Schäfer Geschäftsführer der KurzFilmAgentur e. V.

 

GRIP: Wer macht die Agentur und zu wievielt seid Ihr?
Markus Schaefer: Wir haben vorerst mit 2 1/2 Honorarstellen begonnen, bei Erhöhung der Mittel und Finanzierung des "Kurzfilm - Abos" stocken wir auf. Die Geschäftsführung mache ich. Die KurzFilmAgentur Hamburg ist am 5. Oktober 1992 als gemeinnütziger Verein von 8 Personen hauptsächlich aus dem Hamburger Kurzfilmfestival - Team gegründet worden. Der offizielle Start der bezahlten Arbeit war der 1. 1. 93.
GRIP: Wie finanziert Ihr Euch?
Markus Schaefer: Die Hamburger Kulturbehörde bezuschußt uns in 1993 mit DM 120. 000. -. Das reicht für die Bürokosten und die Honorare. Das "Kurzfilm-Abo" ist bisher leider nicht finanziert. Für das Hamburger Kurzfilmfestival (NO BUDGET), das ein Teil der Arbeit der KurzFilmAgentur ist, werden wir von der Hamburger Kulturbehörde mit DM 180. 000. - gefördert. Der Festivalgesamtetat von 1993 in Höhe von 280. 000. -DM wurde durch Sponsoring und Zuschauereinnahmen ergänzt.
GRIP: Seid ihr selber auch Kurzfilmer?
Markus Schaefer: Die meisten von uns haben eigene Erfahrungen mit Kurzfilmen. Meine Erfahrungen beschränken sich auf die Produktion von Filmen, hauptsächlich Kurzfilme, Leitung von Filmseminaren, Verleiharbeit von Kurzfilmen und Kurzfilmrollen und die Leitung des NO BUDGET Festivals von 1985-1992.
GRIP: Wie weit seid Ihr bisher mit Eurer Arbeit gekommen?
Markus Schaefer: Aufgrund der schlechten Finanzierungssituation und der damit verbundenen kleinen Personaldecke konnten die beschriebenen Aufgabenfelder nicht intensiv genug angegangen werden. Jedoch konnte auch schon in der Anfangsphase Erfolge verbucht werden. Da auch ich ziemlich intensiv an der Vorbereitung des Festivals ( 27. - 31. Mai 1993) mitgearbeitet habe, sind bestimmte Arbeiten für die Agentur zu kurz gekommen.
GRIP: Mit welchen Institutionen arbeitet Ihr bisher zusammen?
Markus Schaefer: Die Liste der Institutionen, mit denen wir zusammen arbeiten, ist bereits lang: u. a. TV-Stationen: NDR, SFB, ZDF/Arte, Premiere, VOX, Kanal 4, Super Channel, BBC. Institutionen/Festi-vals: Hamburger Filmbüro, Bundesaußenministerium, Goethelnstitute, Agence du Court Metrage (Paris), Kurzfilmtage Oberhausen, Kurzfilmfestival Vila do Conde(Portugal), Kurzfilmfestival Caracas(Venezuela), Kurzfilmfestival Tampere(Finnland), Kurzfilmfestival Sao Paulo(Brasilien), MARLBORO LIGHTS, diverse internationale Filmprofuktionsfirmen, diverse Kinos in Deutschland. Die Liste ließe sich locker erweitern, muß aber jetzt nicht. Viele Zusammenarbeiten ergeben sich auch aus unserer Festivalarbeit.

KurzFilmAgentur Hamburg e. V.
Glashüttenstr. 27
20357 Hamburg
Tel.: 040-434499
Fax. -4302703

Kategorie: Interview

Schlagworte: Kurzfilm, Verleih

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