GRIP 06

01.06.1993

Filme, auf die wir warten

CUP FINAL von Eran Riklis

Von Heike Kühn

“Cup Final” von Eran Riklis markiert einen Wendepunkt im israelischen Filmschaffen. 1991 enstanden, bezieht sich der Film zwar noch auf die Strömungen der “palästinensischen Welle”, aber nicht länger auf die Vorbehalte gegenüber dem arabischen Anderen, die das isrealische Filmschaffen des vergangenen Jahrzehnts unterschwellig, vielleicht auch unbewußt, aufrecht erhielt.

“Cup Final” ist der erste Film, der sich allseitig bemüht - nicht um Ausgewogenheit, sondern um Gerechtigkeit. Daß solch ein Unterfangen nicht belehrend sein muß, beweist Eran Riklis mit Leichtigkeit: Der Plot des Films ist grotesk wie die israelische Realität, makaber wie der Krieg im Libanon, und so warmherzig oder zynisch, wie es die Erfordernisse des Kampfes gerade zulassen. Moshe Ivgi, wohl der vielseitigste Charakter des isrealischen Films und ein Narr von shakespearschen Gnaden, spielt den apolitischen Geschäftsmann Cohen, der auf dem Weg zu der Fußballweltmeisterschaft im Spanien des Jahres 1982 von der Armee eingezogen wird. Der Reservist wird in den Einmarsch im Libanon verwickelt und prompt von palästinensischen Freischärlern gefangen genommen. Aber der Anti-Held, der dem Ende des Krieges entgegenfiebert, um wenigstens zum “Cup Final” in Spanien einzutreffen, findet Verständnis beim politischen Gegner: Der Palästinenserführer Bakri, der seinen Gefangenen zu einer Odyssee durch den Libanon zwingt, schwärmt wie Cohen für das italienische Fußballteam. Innerhalb der Grenzen einer spielerisch ausgesetzten Wirklichkeit werden sich der Israeli und der Palästinenser nahe kommen, zwischen Schmerzen und Scherzen, zwischen fair play und fouls. Die Ambivalenz des Spiels ist die Vorgabe, an die sich auch die metaphorischen Spielregeln des Films halten: als Allegorie eines prekären Balanceakts, in dem kindlicher Überschwang jederzeit in männlichen Fanatismus Umschlagen kann, ist es allgegenwärtig.
Ziel des Films ist Beirut, eine Stadt, deren leuchtendes, von den Palästinensern gepriesenes Vorbild Cohen an Haifa bei Nacht erinnern wird: was nicht weiter verwundert, da Riklis Beirut tatsächlich Haifa und der Mythos eines von Gott bevorzugten historischen Schauplatzes in seinem Film austauschbar ist. Auf dem Weg nach Beirut dezimiert sich Ziads Truppe - wie Riklis selbst eingestanden hat- nach dem Prinzip der zehn kleinen Negerlein, ein Tribut an das enorme Tempo des Films. Langsam und sacht ist der Film, wenn das Spiel zu ende geht: Während im Fernsehen, mit dem sich israelische Soldaten an den Einfallstraßen nach Beirut die Zeit vertreiben, die italienischen Gewinner der Fußballweltmeisterschaft bekränzt werden, verlieren die Palästinenser in einem Scharmützel ihr Leben. Cohen kommt ungeschoren davon, aber nicht unbeeindruckt. Das Palästinensertuch des toten Feindes, des toten Freundes, das Cohen an sich zieht, ist ein einzigartiges Fanal.. Unpolitisch wird der Verspielte nie mehr sein: Dieses Spiel ist aus.

Kategorie: Rezensionen (Bücher und Film bzw. GRIP Kritik)

Schlagworte: Spielfilm

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