GRIP 06

01.06.1993

Filmausbildung an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach?

Als einer der etwa 45 Studenten im Schwerpunkt Film an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, möchte ich kurz beschreiben, wo ich die Vor- und Nachteile unsrer Ausbildung sehe.

Von Peter Dörfler

Das Erste, was mir auffiel, als ich vor vier Jahren mit dem Filmstudium an der HfG begann war, daß man seine Filme selbst finanzieren muß. Bei einem Kurzspielfilm von zehn Minuten sind das im Durchschnitt 3000 DM.
Nun ist das zwar viel Geld und ohne Arbeit nebenbei ist ein Filmstudium an der HfG nicht zu finanzieren. Gemessen an den Produktionskosten eines vergleichbaren Films in der freien Wirtschaft jedoch, ist es sehr wenig.
Das Ausbildungskonzept im Schwerpunkt Film an der HfG sieht vor, daß die Studenten mit allen Herstellungsschritten der Filmproduktion vertraut gemacht werden. Geräte zur Filmentwicklung, Kopierung und Nachbearbeitung, zur Tonnachbearbeitung- und Mischung sind vorhanden und können von jedem Studenten und jeder Studentin bedient werden. Als ich vor etwa zwei Jahren mein Vordiplom machte, sah das in der Praxis so aus, daß ich eine Woche in abgedunkelten Räumen zubrachte, um zehn Endkopien herzustellen. jede von ihnen fiel einem anderen technischen Defekt zum Opfer. Nun besitze ich von diesem Film, in den ich viel Zeit und Energie gesteckt habe, eine viel zu dunkle Endkopie mit flackerndem Licht. Das war wie gesagt vor zwei Jahren, kurz bevor in unsrem Filmbereich praktisch nichts mehr funktionierte. Wir wandten uns an alle möglichen Stellen innerhalb der Hochschule und bekamen einige hundert mal zu hören, es sei leider kein Geld mehr da und der Filmschwerpunkt koste ohnehin schon zu viel. Die Studenten ergriffen daraufhin parallel zu Professor Helmut Herbst selbst die Initiative. In einem Schreiben wandten wir uns an die Ministerin Mayer persönlich und ob nun auf diesen Brief hin, oder nicht, jedenfalls war es auf einmal möglich, den Filmbereich mit sogenannten Reinvestitionsmitteln zu sanieren.
Wir bekamen einen kompetenten Techniker für die Gerätewartung und alles geht seither stetig bergauf- mit der Technik zumindest.
Vorausgesetzt, die Geräte spielen mit, halte ich das Ausbildungskonzept an der HfG für sehr gelungen. Spätestens in der Zusammenarbeit mit professionellen Firmen zeigt sich, daß die genaue Kenntnis der Produktionsschritte uns in die Lage versetzt, konkrete und eigene Vorstellungen zu entwickeln und zu vermitteln.
Die Filmstudenten/-Innen an der HfG sind sehr aufeinander angewiesen. Wir helfen uns gegenseitig und sind uns dabei für nichts zu schade. Vom Produktionsfahrer, über Koch, bis hin zu Kamera und Regie, erfüllen wir verschiedene Aufgaben in unterschiedlichen Produktionen. Wir lernen in der Praxis und voneinander. Die Atmosphäre zwischen den Studierenden halte ich für den größten Vorteil unseres Ausbildungskonzeptes. Nicht Konkurrenz, sondern gegenseitige, produktive Beeinflussung bestimmen das Verhältnis der Student/-Innen untereinander. Ich finde, daß sich dabei in den letzten Jahren eine Art HfG-Stil herausgebildet hat, der in den Filmen mehr oder weniger präsent ist, sehr eigen, experimentierfreudig und risikobereit. Ein negatives Merkmal für HFG- Filme ist eine gewisse Unverständlichkeit. "Das ist doch ganz logisch, daß das seine Mutter und nicht seine Freundin ist, mit der er in der dritten Szene telefoniert", aber keiner hat es verstanden. Man kann sich eben nicht alles selbst beibringen - Dramaturgie zum Beispiel. Nach einem Jahr aufreibender Arbeit am Schneidetisch, an der Trickkamera und so weiter - denn so lange dauert eine Produktion oft, wenn man alles selbst herstellt, sind Fehler in der Drehbuchdramaturgie besonders schmerzhaft.
Fünfundvierzig Studenten sollen von einem Professor und einem Trickfilmdozent (halber Tag pro Woche) eine fundierte Ausbildung in dem vielschichtigen Medium Film erhalten. Aus dem ohnehin knappen Lehrangebot wurde dieses Jahr die bisher durch Urs Breitenstein erfüllte Funktion einer zweiten Lehrkraft gestrichen. Nicht ein Einziges der so wichtigen Kompaktseminare mit Praktikern aus den verschiedensten Sparten des Mediums wurde uns bewilligt. Die Filmausbildung an der HfG droht schlechter und länger zu werden. Wenn die Student/-Innen alles durch Erfahrungen lernen müssen, was durch Lehrangebote zu vermitteln wäre, dann kostet uns das viel Zeit und das Land Hessen jenes Geld, das es besser in die Ausbildung investieren sollte.
Von der Hochschulleitung haben wir leider nicht viel zu erwarten. Das sogenannte Studienfach Film sei ohnehin schon zu groß und zu teuer und ist daher seit Jahren ein Dorn im Auge. Die Einrichtung eines getrennten Etats für Film, von uns mehrfach gefordert, um die Verteilungskämpfe innerhalb der Hochschule zu vermeiden, kommt aus Gründen, die mir unflexibel und ignorant erscheinen, nicht in Frage. Daß die Produktionen an der HfG, meiner Meinung nach dennoch immer eigenständiger und besser werden, wird man Ende dieses Jahres sehen können. Dann nämlich findet zum zweiten Mal das große Finkenhoffestival statt. Ob wieder parallel zur Filmschau, das muß noch diskutiert werden und hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob deren Schwerpunkt wieder beim Experimentalfilm der 60er Jahre liegt, weil's ja so schön war damals und weil halt heute nichts mehr passiert in Hessen. Na, bei der Filmförderung!

Kategorie: Bericht/Meldung (GRIP INFO + Filmland Hessen-Beiträge)

Schlagworte: Ausbildung/Weiterbildung/Studium, Nachwuchs, Filmförderung

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