GRIP 06
01.06.1993
Editorial GRIP 6
Von Redaktion
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Vorab die Nachricht, die uns unmittelbar vor Drucklegung erreichte: Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst hat die Wiederinbetriebnahme des Kinos in der 'Kamera' durch eine Initiative wie Pupille Schöne Neue Welt e. V. (wir berichteten) bis auf weiteres, d. h. bis kurz vor die Jahrtausendwende (sic!), ausgesetzt. Wenn dies das letzte Wort des Ministeriums wäre, dann ist das, gelinde formuliert, ein Skandal. Wir werden über diese Angelegenheit ausführlich im nächsten Heft berichten.
Anläßlich des Schauerstücks, genannt Sparmaßnahmen, wird man sich als Kulturschaffender seiner gesellschaftlichen Bedeutung erst so recht bewußt. Gestern noch das Trüffelschwein, morgen als Fleischreserve zur Schlachtbank. Ein trauriger Höhepunkt gelang hier in Frankfurt mit dem absurden Zerren am Frankfurter Kommunalen Kino (siehe Bericht). Da gab es tatsächlich den Vorschlag - von wem, möchte man ahnen - selbiges solle privatisiert werden, um Geld zu sparen. Offensichtlich sind sich einige der Entscheidungsträger nicht über die Bedeutung und Funktion dieser Institution im Klaren.
Apropos: Auch in der Filmklasse der Offenbacher HfG geht die Krise um (siehe Seite). Nachdem Professor Helmut Herbst öffentlich die Ministerin gebeten hat, die Filmklasse aus Geldmangel 'abzuwickeln' ahnen die rund 60 Studenten nichts Gutes und Herbstens Kollegen sind ihm böse. 'Die Geister, die ich rief... '. Durchaus möglich, daß Helmut Herbst undiplomatisch über das Ziel hinausgeschossen ist (Objekte in Bewegung... ), aber wenn man sich schon einen Künstler wie Herbst an die Schule holt, ihn dort zehn Jahre gewähren und dann mit Bezug auf die rezessiven Zeiten alleine läßt, das kann nicht gut gehen. Zumindestens kann man sich von Helmut Herbst dabei keine taktischen Finessen erwarten, und das, bei mancher Kritik, ehrt ihn. Hoffen wir, daß die Filmklasse diesen Sturm ohne größeren Schaden überstehen wird, denn sie zählt nun mal zu den besten, die es hierzulande gibt.
Nun gab es in den letzten Wochen durchaus auch Positives zu vermerken. So die Resonanz auf die Anhörung vor dem hessischen Landtag am 27. April. In diesem Heft sind die Stellungnahmen von Helmut Herbst, dem Filmbüro Hessen und dem Filmhaus Frankfurt abgedruckt. Als gelungen darf das Fest bezeichnet werden, welches das Filmbüro Hessen im Wiesbadener Caligari-Kino am Abend der Anhörung folgen ließ gab. Das zahlreich erschienene Publikums war's zufrieden, desgleichen die Presse. Das Kurzfilmprogramm traf wohl die Erwartungen, und wir werden es demnächst noch zweimal sehen können (siehe Seite 4).
Zum Schluß nun keine satirische Bemerkung - zu groß ist die Gefahr, daß daraus schon morgen Wirklichkeit wird-sondern etwas äußerst erfreuliches: Auch in diesem Jahr waren wieder Filmemacher aus Hessen mit ihren Arbeiten unter den zehn Nominierungen für den Bundesfilmpreis, Thomas Frickel und sein Dokumentarfilm DER STÖRENFRIED und Gordian Maugg mit seinem ersten Spielfilm DER OLYMPISCHE SOMMER. Allein schon die Nominierung ist nicht nur eine Ehre, sondern mit einer beträchtlichen Förderprämie für das nächste Filmprojekt verbunden. Erhält man dann auch noch eines von drei Filmbändern - dieses Jahr wurden 'nur' silberne verliehen - so ist das nicht nur eine Art kleiner Skulpur und noch mehr Ehre, sondern die Mittel für den nächsten Film steigen beträchtlich. Und hier freuen wir uns, ganz herzlich Gordian Maugg gratulieren zu können, dem dieses Jahr ein solches zuteil wurde (siehe Interview). Herzlichen Glückwunsch! Wenn jetzt der OLYMPISCHE SOMMER noch einen engagierten Verleih finden würde, dann könnten wir den Film auch im Kino sehen (Apropos, die Frankfurter hatten bereits Gelegenheit, denn das Filmhaus hatte bereits am 30. Mai zur Aufführung in die Harmonie geladen. Das war übrigens die erste öffentliche Vorführung!
In diesem Sinne, einen kühlen Sommer,
wünscht die Redaktion
Kategorie: Editorial
Schlagworte: GRIP, Kino
