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11.07.2025

Über das Aus der Filmbewertungsstelle

Im 74. Jahr ihres Bestehens wird die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) in Wiesbaden bis zum Ende des Jahres abgewickelt. Die von den Ländern einst initiierte indirekte Kulturförderung für den Kinofilm ist in die Jahre gekommen, hat sich jedoch als entwicklungsfähig gezeigt. Eine Reform der Gebührenordnung und ein noch stärkeres Engagement in der Kinder- und Jugendfilmarbeit waren geplant. Dies alles war mit den Kulturpolitiker*innen der Länder bereits abgestimmt. Als es jedoch zum Schwur der Finanzierung kam, lehnten die Länder ab und Hessen wollte nicht mehr alleiniger Zahlmeister sein. Ein Rückblick.

Von Bernd Jetschin

Die im Ostflügel des Schloss Biebrich sitzende FBW wurde im August 1951 von den Ländern eingeführt, um Filme, die einen kulturellen Wert besitzen, steuerlich zu begünstigen. Nachdem das drohende Schwert der Vergnügungssteuer für die Kinowirtschaft an Bedeutung verlor, half die FBW mit ihren Prädikaten qualitätsvolle Filme sichtbar zu machen und diente als Orientierungshilfe bei der Suche im Filmangebot. Für Produktionsleute minderten Prädikate viele Jahre die Schwelle für die Referenzförderung und die Verleiher konnten mit den Prädikaten für ihre Filme werben.

Logo der FBW (Deutsche Film- und Medienbewertung)

Die FBW-Jurys, die mit unterschiedlichen Fachleuten aus der Filmbranche besetzt sind, begutachten Filme auf ihre Qualität und zeichnen herausragende Werke mit den Prädikaten „wertvoll“ und „besonders wertvoll“ aus. Tausende Filme wurden im Laufe der Jahrzehnte so auf ihre Qualitäten geprüft, zuletzt waren es vor Corona 122 Spielfilme plus Kurzfilme im Jahr, danach noch 82 Spielfilme. Dass die Prädikatsquote bei den beantragten Prüfungen immer ziemlich hoch gelegen hat, verdankt sich laut FBW der Tatsache, dass Filme ohne Chance auf eine Auszeichnung häufig gar nicht erst eingereicht wurden. Etwa in den 1970ern: Actionstreifen mit Kung-Fu-Fightern, die fliegenden Fäuste des Buddy-Duos Bud Spencer und Terence Hill oder auch die Sexfilme aus der Ära der Schulmädchen-Reports. Diese Genre-Filme hatten ihre Fans, vor allem zu der Zeit, als es noch keine Videokassetten gab, sie sind aber sicher nicht als Qualitätsfilme produziert worden. 

Gutachter*innen der FBW-Jury nach ihrer letzten Sitzung mit FBW-Direktorin Bettina Buchler und Mitarbeitenden. Foto: FBW
Gutachter*innen der FBW-Jury nach ihrer letzten Sitzung mit FBW-Direktorin Bettina Buchler und Mitarbeitenden. Foto: FBW

Gleichwohl wurden die FBW-Prädikate hinsichtlich ihrer kulturkritischen Bedeutung vor allem von der Filmkritik immer wieder hinterfragt und auch nicht ganz ernst genommen. Sie warf der FBW vor, viel zu viele durchschnittliche und auch schlechte Filme mit einem Prädikat bewertet zu haben. Und die Branche wiederum mokierte sich nicht selten darüber, wenn ein Film nur als „wertvoll“ und nicht als „besonders wertvoll“ eingestuft wurde.

Das „Rambo“-Prädikat
In den Bewertungen der Gutachter*innen spiegeln sich auch immer die relevanten gesellschaftlichen Diskussionen wider – vor allem wenn es im Film um Gewalt, Sex und Religion geht. Klar, dass die Zusammensetzung der jeweiligen Gutachterjury eine Rolle spielt. Die derzeit 85 Gutachter*innen kommen aus unterschiedlichen Bereichen: Medienpädagogik, Filmwissenschaft und Publizistik sowie Kinobranche.

In der Vergangenheit wurde immer wieder heftig um Prädikate gestritten wie etwa für Ingmar Bergmans berühmten Film „Das Schweigen“ (1963), Bernardo Bertoluccis „Der letzte Tango in Paris“ (1972) oder Nagisa Ōshimas Skandalfilm „Im Reich der Sinne“ (1976). Doch alle diese Diskussionen waren nichts gegen die Aufregung um das Prädikat für „Rambo III“ (1988) mit Sylvester Stallone. Die Debatte um diesen Film in der Öffentlichkeit, in den Medien, aber auch unter Politiker*innen schlug hohe Wellen der Empörung. Die FBW klärte darüber auf, dass die Bewertungen keine persönlichen Geschmacksurteile darstellen, sondern die Gutachter*innen einen Film immer an den Ansprüchen des jeweiligen Genres messen, wie dieser stilistisch und inhaltlich mit narrativen Formen einer Gattung umgeht. Der „Rambo“-Skandal war so eine Art Höhepunkt, wenn auch danach noch ab und zu Debatten um einzelne Prädikatsentscheidungen aufkamen, beruhigte sich die Lage seitdem deutlich.

Die seit 2008 verantwortliche Direktorin der FBW Bettina Buchler hat die Arbeit und Entscheidungen transparenter aufgestellt und sie stärker in die Öffentlichkeit kommuniziert, um den Verbraucher*innen das Siegel der FBW nahe zu bringen. Die Prädikate verstehen sich als Empfehlung für das Kinopublikum und Nutzer*innen von Digitalangeboten, sie helfen gerade auch bei deutschen Filmen, insbesondere bei den Talentproduktionen, dass sie im großen Filmangebot sichtbar werden. Im Unterschied zur Verleih-Promotion geben sie ein von unabhängigen Expert*innen verliehenes Qualitätszeugnis ab. Gleichwohl, wenn ein Film ein Prädikat erhält, wird er von der FBW beworben und in der Auswertung unterstützt. In Zukunft wollte die FBW ihr Augenmerk noch stärker auf Debütfilme ausrichten und mit Jugend Filmjurys einen Beitrag bei der Mediensozialisation von Jugendlichen und Kindern leisten.

Erst halfen Rücklagen, dann das Land Hessen
Die FBW hat seit den 2000er Jahren defizitär gearbeitet. Bis 2007 waren die Rücklagen aufgebraucht, um das Minus zu decken, danach ist das Land Hessen mit Zuschüssen eingesprungen, so Bettina Buchler. In den Jahren vor Corona lag das Defizit noch unter 100.000 Euro, kletterte aber durch Corona und danach weiter in die Höhe. Während der Pandemie wurden die Gebühren um 50 Prozent gesenkt und es wurden weniger Filme eingereicht. „Das korrespondierte mit den Rückgängen des Kinomarktes“, erklärt Buchler. Die durchschnittlichen Gebühren für einen 90-minütigen Spielfilm liegen bei 1.800 Euro, für einen Zweistundenfilm sind schon 2.500 Euro zu zahlen. Im vergangenen Jahr wurden zwar weiterhin viele große Filme bei der FBW eingereicht, jedoch gingen die Anfragen von kleineren Verleihern und Debütfilmemacher*innen aufgrund der Gebühren spürbar zurück. „Das war für kleinere Verleiher oft unerschwinglich. Um wichtigen Produktionen ein Einreichen zu ermöglichen, wollten wir die Gebührenordnung ändern. Wir haben eine FBW-Zukunftsagenda erarbeitet mit einem 5-Jahres-Business-Plan, der von allen Beteiligten als tragfähige Reform angesehen wurde. Die Länder hatten dieses Konzept in der über ein Jahr gemeinsam erarbeiteten novellierten Fassung in einer gemeinsamen FBW-Verwaltungsvereinbarung eingebaut“, so Buchler. Doch auf der Kulturministerkonferenz im vergangenen Herbst blieben die Länder bei ihrem Nein, die FBW gemeinsam zu finanzieren und Hessen wollte die Finanzlast nicht alleine tragen.

Dabei ist auch aus der Branche ein positives Feedback für eine neue Gebührenordnung gekommen wie auch für die geplante Stärkung der Kommunikation auf allen Kanälen. Die vor einigen Jahren eingeführte Jugend Filmjury kam bei den Verleihfirmen ebenfalls gut an. Für Alexandre Dupont-Geisselmann, Chef vom farbfilm verleih in Berlin, hat das Prädikat eine Bedeutung, es wird gerne auf den Filmplakaten werblich eingesetzt und ist eine Empfehlung für Erziehungsberechtigte, in welchen Film sie mit ihren Kindern gehen. Geisselmann begrüßt vor allem die Jugend Filmjurys der FBW. „Das fand ich eine gute Idee, auf Augenhöhe des Zielpublikums eine eigene Jury einzuführen. Die haben wir bei allen unseren Kinder- und Jugendfilmen beantragt.“

Die Jugend Filmjury wurde 2014 gegründet. Partner sind Einrichtungen aus der Kinder- und Jugendfilmarbeit und Filmvermittlung wie auch aus der Kino- und Verleihbranche. 

Für Filme mit Qualität vergeben sie bis zu 5 Sterne. Bei 3 Sternen werden die Filme auf der Homepage der Jugend Filmjury der FBW vorgestellt. Foto: JFJ: Leander Büge
Für Filme mit Qualität vergeben sie bis zu 5 Sterne. Bei 3 Sternen werden die Filme auf der Homepage der Jugend Filmjury der FBW vorgestellt. Foto: JFJ: Leander Büge

An zehn Standorten in Deutschland bewerten geschulte Jurys mit Schüler*innen ab zehn Jahren noch vor Kinostart das Angebot für die Altersgruppe ab 5 Jahren. 2018 kam noch eine 14+ Jury hinzu, die sich auf Filme für Jugendliche spezialisiert hat. Für Buchler geht es hierbei nicht nur um den Empfehlungscharakter der Juryarbeit. Sie sieht darin einen wichtigen Beitrag zur Film- und Mediensozialisation von Kindern und Jugendlichen.

Die Jugend Filmjury soll bleiben
Es laufen derzeit Gespräche, die Arbeit der Jugendjury auch nach der Schließung der FBW Ende des Jahres fortzuführen. Als Trägerschaft in Frage kommen Institutionen, die im Kinder- und Jugendfilm aufgestellt sind, wie etwa der in Frankfurt beheimatete Bundesverband Jugend und Film (BJF). Klar ist, auch unter neuer Trägerschaft wird dieses Netzwerk Geld kosten. Zumal nach dem Ende der FBW die wichtigen personellen Strukturen dafür nicht mehr vorhanden sind.
Im novellierten FFG spielten die Prädikate keine Rolle mehr, was sicher für den Fortbestand der Institution nicht förderlich war. Die Politik hat hier etwas aufgegeben, ohne Not und ohne eine Alternativlösung zu präsentieren. Gewiss, es gab ebenso kritische Stimmen zur FBW, welche die Gütesiegel als nicht mehr zeitgemäß ansahen und ihre Bedeutung bestritten. Aus Sicht der Filmkritik galt sie eher als obsolet. Gerne wird auch argumentiert, Filminteressierte suchten heute zielgruppenspezifische Empfehlungen auf den Onlineportalen oder über Social Media, wo die FBW-Prädikate allerdings auch sichtbar waren.

Die Relevanz und die inhaltliche Arbeit standen wohl nicht in Frage; im Gegenteil – das Zukunftskonzept haben die Länder mitgetragen. Offenbar stehen angesichts der knappen Kassen der öffentlichen Haushalte kulturelle Einrichtungen und Aufwendungen des Staates ganz oben auf der Streichliste. Bleibt nur zu hoffen, dass der gewünschte Fortbestand der Jugend Filmjury der FBW unter neuer Trägerschaft letztlich nicht auch wegen fehlender Mittel scheitert.

Empfohlen von der Jugend Filmjury: „Grüße vom Mars“ von Sarah Winkenstette. Foto: farbfilm verleih
Empfohlen von der Jugend Filmjury: „Grüße vom Mars“ von Sarah Winkenstette. Foto: farbfilm verleih

Kategorie: GRIP-Blog

Schlagworte: Filmförderung, Filmpolitik, Institution, Kino, Verleih