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03.09.2025

Taunus Filmfest Oberursel: Aus Klein mach Groß

Ein Filmfestival zu gründen oder ganz neu aufzustellen ist heutzutage riskant. Das betrifft nicht nur deren Finanzierung, es geht auch darum, ein möglichst konkurrenzarmes künstlerisches Profil aufzustellen. Das Taunus Filmfest Oberursel ist dieses Wagnis bereits im letzten Jahr eingegangen und hat aus einem lokalen Open-Air-Kurzfilmevent ein Festival mit internationalem Lang- und Kurzfilmwettbewerb geschaffen. Ein mutiges Unterfangen, denn unter den mehr als 400 Filmfestivals in Deutschland haben sich gerade die jüngeren nur durchsetzen können, weil sie sich spezialisiert haben – etwa auf Themen, Länder oder Genres. Das Leitungsduo in Oberursel ließ sich davon nicht beirren und dehnte das Festivalkonzept 2025 auf Bad Homburg aus. Unser Filmkritiker wagt eine erste Bilanz.

Von Claus Wecker

Frankfurt im Süden, der Taunus im Norden und mittendrin liegt Oberursel, kurz „Orschel“ genannt, eine Stadt, in der es sich gut leben lässt – auch wenn es hier schon seit Jahrzehnten kein Kino mehr gibt. Von dem Filmfest, das seit 2010 während des „Orscheler Sommers“ lief, hatte man jenseits der Stadt bisher nur wenig mitbekommen. Es gab Open-Air-Vorführungen von Kurzfilmen im Rushmoorpark, die gut besucht waren, Sommerkino, wie es vielerorts veranstaltet wird. Hinzu kamen mit den Jahren Schwerpunkte, etwa „Essen, Leben und Lieben“ im Film.

Doch schon im vergangenen Jahr begann unter der Führung von Alexander Mereien und der neuen Ko-Leiterin Eva Debrodt ein Aufbruch zu neuen Ufern, wie es hieß. Zur Eröffnung wurde der rote Teppich vor dem Elaya Hotel ausgerollt. Darin wurde extra ein Kino eingerichtet – der Elaya-Saal –, in dem erstmals ein Gala-Abend mit Eröffnungsfilm stattfand und – ganz neu – auch Langfilme im Wettbewerb gezeigt wurden. Zusätzlich gab es Workshops und Netzwerkveranstaltungen. Mehr als 20 ehrenamtliche Personen stemmten das nun viertägige Filmfest – allein die Festivalassistenz wurde über das STEP-Programm von Hessen Film & Medien gefördert. Nur wahrgenommen wurde das neue Filmfest jenseits der Presse noch nicht so recht, was an dessen finanzieller Unterstützung lediglich durch die Stadt Oberursel gelegen haben mag. Jenseits der Sponsoren, zu denen auch der Rotary Club gehörte und der in diesem Jahr wieder einen 500-Euro-Preis für den besten Film zum Thema Integration stiftete.

V.l.n.r.: Moderatorin Annelie Eichhorn-Adler, Eva Debrodt und Alexander Mereien (beide Festivalleitung). Foto: Cornelius Pfannkuch
V.l.n.r.: Moderatorin Annelie Eichhorn-Adler, Eva Debrodt und Alexander Mereien (beide Festivalleitung). Foto: Cornelius Pfannkuch

Neue Abspielorte
Mit der 14. Ausgabe in diesem August wurde das Festival räumlich noch größer – unter einem neuen Namen: „Taunus Filmfest Oberursel“, auch „Taunale“ in Anlehnung an das hiesige Taunabad genannt. Antje Runge, die Bürgermeisterin von Oberursel, kündigte an, das Fest mache sich „auf den Weg in die Region“ und leiste „einen wichtigen Beitrag zur regionalen Kulturlandschaft“. Dazu gab es als wetterfeste Spielorte die Stadthalle und ein modernes Kino, das Kinopolis im benachbarten Bad Homburg, auf dessen Teilnahme man besonders stolz war. Zu Recht, denn die Stadthalle in Oberursel genügte mit flauer Projektion und hallendem, manchmal schrillem Ton nicht den Ansprüchen an einen angemessenen Spielort.

Zu einem Filmfestival gehört Prominenz, und es ist klar, dass diese bei einer noch relativ unbekannten Veranstaltung schwer zu bekommen ist. Nach Oberursel kamen also Jerry Digby, ein amerikanischer Regisseur, die aus Bad Homburg stammende Dokumentarfilmerin Bettina Borgfeld und die Schauspielerin Barbara Philipp, unter anderem bekannt als LKA-Verwaltungsangestellte an der Seite von Ulrich Tukur im Wiesbadener hr-Tatort und Heimleiterin aus „Systemsprenger“. Als Stargäste traten die drei Jury-Mitglieder bei der Eröffnungsgala im Elaya Hotel auf.

V.l.n.r.: Bettina Borgfeld, Regisseurin und Kamerafrau, Jerry Digby, Regisseur und Produzent (beide Mitglieder der Jury), Eva Debrodt und Alexander Mereien (beide Festivalleitung). Foto: Cornelius Pfannkuch
V.l.n.r.: Bettina Borgfeld, Regisseurin und Kamerafrau, Jerry Digby, Regisseur und Produzent (beide Mitglieder der Jury), Eva Debrodt und Alexander Mereien (beide Festivalleitung). Foto: Cornelius Pfannkuch

Die Filme
Jedes Jahr werden weltweit tausende Kurzfilme produziert. Die Kunst ist, unter denen auch in Oberursel zahlreich eingereichten wirklich interessante herauszupicken. Die beiden traditionellen Kurzfilmabende kamen beim Publikum jedenfalls gut an, darunter waren auch einige Wettbewerbsfilme. Zudem war auch für Verpflegung gesorgt, und zum Thema „Food & Film“ gab es erneut einen 500-Euro-Preis. Es liefen zusätzlich noch kurze Wettbewerbsfilme in den Kinos. Als bester Kurzfilm wurde der animierte Beitrag „Dieter“ (2024) des Schweizers Rolf Brönnimann mit 500 Euro ausgezeichnet. Der Film berührte mit seiner Geschichte vom Zwillingsbruder des Filmemachers, einem Steinbildhauer, der aufgrund fortschreitender Demenz seine Skulpturen nicht mehr vollenden konnte.
Aus Filmkritikersicht sind die langen Filme natürlich das Wichtigste. Im Wettbewerb wurden zwölf lange und mittellange Spiel- und Dokumentarfilme gezeigt, drei der gesichteten waren eine Enttäuschung. Den mit 1.000 Euro dotierten Preis für den besten Spielfilm erhielt der französische Beitrag „Happiness is a Wild Beast“ (2023) von Bertrand Guerry, der am sommerlichen Freitagnachmittag vor vier Personen in der Oberurseler Stadthalle lief. Wir waren uns alle einig, dass diese Geschichte von den Bewohnern der kleinen Insel Yeu und ihrer deutschen Besucherin nicht zu überzeugen wusste. Die stille Fabel, die nach Meinung der Jurorin Borgfeld zeigt, „dass Glück etwas ist, das jeder für sich selbst definieren oder finden muss“, war ausgesprochen uninspiriert geraten. Wenn Drehbuchautorin Sophie Davout nichts mehr einfiel, ließ sie ihre Protagonisten Motorroller fahren oder im Bärenkostüm herumlaufen.
Ärgerlich waren die deutschen Filme „Kartenhaus“ (2024), eine aufgeblasene Beziehungsgeschichte von Jurij Neumann, und „Traumnovelle“ (2024), eine Trashvariante von Kubricks „Eyes Wide Shut“ (von Schnitzler ganz zu schweigen), mit dem Kinski-Sohn Nikolai unter der Regie von Florian Frerichs.

Festivalwürdig war der Eröffnungsfilm „Was uns verbindet“ (2024), der auch am gleichen Tag in den deutschen Kinos anlief. Das französische Drama wurde per Video-Schaltung von der Regisseurin Carine Tardieu begleitet. Im Film wird eine alleinstehende Buchhändlerin, die eine überragende Valeria Bruni Tedeschi darstellt, zur Bezugsperson eines kleinen Jungen, dessen Mutter bei der Geburt der Schwester gestorben ist. Der Film beginnt als herzzerreißendes Drama. Leider kann man nach zehn Minuten das Taschentuch wegstecken, weil sich die Handlung auf den verwitweten Vater (Pio Marmaï) konzentriert und der kleine Elliott zur Randfigur wird. Eine filmische Todsünde, hatte man doch den hinreißenden César Botti in der Rolle des Elliot zur Verfügung. Da hätte das falsch abgebogene Drehbuch eben umgeschrieben werden müssen.

Filmstill aus dem Eröffnungsfilm „Was uns verbindet“, Regie Carine Tardieu, Frankreich / Belgien 2024. Foto: Alamode Film
Filmstill aus dem Eröffnungsfilm „Was uns verbindet“, Regie Carine Tardieu, Frankreich / Belgien 2024. Foto: Alamode Film

Eine Erneuerung mit Perspektive
Der zweite Akt der Festivalerneuerung scheint infolge intensivierter Werbung gelungen, vor allem die Open-Air-Veranstaltungen waren bei freiem Eintritt und sommerlichem Wetter sehr gut besucht. Insgesamt wurden 2.000 Besucher gezählt, was einer Verdoppelung entspricht. Mit der nun auch finanziellen Unterstützung von Hessen Film & Medien und dem Kulturfonds Frankfurt RheinMain hat das Festival gute Aussichten. Allerdings sollte die Filmauswahl verändert werden. Die Jury sollte sich um interessante Filme aus anderen Festivals bemühen, statt auf mittelmäßige bis schwache Einsendungen zu warten. Auch müssen die Bedingungen für das Abspiel in der Stadthalle (s. o.) verbessert werden. Mit dem Beiprogramm der Workshops zu eigenen kleinen Produktionen, Besichtigungen möglicher Drehorte in der Oberurseler Altstadt und mit Kinderprogrammen ist ein guter Weg beschritten worden, auf dem weitergegangen werden kann.

Kategorie: GRIP-Blog

Schlagworte: Festival, Filmkultur, Kino, Kurzfilm, Spielfilm, Dokumentarfilm